Im Wecholder Turme hingen vorzeiten zwei Glocken, die stets gemeinsam, zum Gottesdienst riefen und den müden Erdenpilgern das letzte Lied sangen. Eines Tages aber, so erzählt die Sage, als die warmen Sonnenstrahlen ins Schallloch fielen, als drunten im Lande der Menschen der Sommer mit seinen Blumen und Vögeln den Einzug gehalten hatte und von der „Horst“ her ein leiser Wind in den dicken Eichen des „Sünders“ sein Lied flüsterte, da sagte die kleine Glocke zu ihrer großen Schwester: „Bimbam, wult du mit? Ich will hennut, wo de Blom'n bleihet und de Vagels singt un de fliedigen Minschen dorbi öhre Arbeit doht. „Nee“, säh Bimbamn, „ick hew keene Tied, ick möt noch veele Lüe nah Kerk'n rop'n un möt noch hunnert Dode belüen“!
Als die Johannisnacht kam, sagte Bimmelbammel: „Kling – klang!“ und flog mit einem großen Schwunge zum Schallloch hinaus übern „Brink“ und dann nach dem Wührdener Holze zu. Am Alveser See konnte Bimmelbammel nicht mehr, wollte ausruhen und setzte sich auf der Wiese zwischen bunten Blumen nieder. Aber o weh! Mit einem Male sank der Boden unter ihr, und Bimmelbammel musste mit hinunter in die Erde. Über ihr aber füllte der See die entstandene Kuhle mit Wasser. Der Teufel war es gewesen, der die Glocke hinabgezogen hatte. Hiewr unten wollte er sie bewachen, damit sie nie wieder zum Gottesdienst läuten könne. Die Wecholder trauerten von der Zeit an um die verlorene Glocke, und niemand wusste, wo sie geblieben war.
Nach einem Jahr – es war wieder in der Johannisnacht – kam der alte Kuhhirt von Wührden an der Kuhle vorbei. Vom Magelser Kirchturme schlug es eben zwölf. Da horch! Täuschte er sich, oder war es Wirklichkeit? Aus der Tiefe der Kuhle hörte er dumpfe Töne. Er lauschte und verstand nun deutlich folgende Worte:
„In die Johannisnacht bün ick to lösen,
Dree Johanns möt't wesen
Dree Johanns möt't swieg'n,
Denn könnt se mi krieg'n!“
Der Mann erzählte überall sein Erlebnis. Es war kein Zweifel, das musste die Wecholder Glocke sein, die aus der Kuhle gerufen hatte. Als die nächste Johannisnacht kam, fassten drei Johanns aus Wechold Mut und stiegen um Mitternacht hinab in den See. Kaum waren sie einen Klafter tief, da sahen sie neben ich auf einem Tische die Glocke stehen. Aber unter derselben lag ein großer, schwarzer Hund, der gewaltig knurrte, und seine Glutaugen verrieten, dass die Arbeit für die drei Männer nicht leicht sein würde. Trotzdem gingen sie tapfer ans Werk. Da erhob sich der unheimliche Wächter und ging im Kreise um die Drei herum. Jetzt sahen sie deutlich, dass es der Teufel selbst war. Lautlos – das hatten sie sich vorher gelobt – sollte alles vor sich gehen. Als sie die Glocke in die Höhe brachten, hielt der Böse sein Spiel für verloren. Jetzt umkreiste er die Männer immer schneller und sagte auf seine lange, krumme Nase deutend: „Dat heet ick awern Näsen! Dat heet ick awern Näsen!“ Widerlich grinsend zog er Kreis um Kreise. Diese lächerliche Schauspiel wurde bald einem der drei Johanns zu viel. Er nahm seinen Spaten und versetzte dem schwarzen Teufelshunde mit aller Wucht einen Schlag auf die komische Nase mit den Worten. „Dat heet ick awern Brill!“ Das eben hatte der Teufel gewollt! Mit einem traurigen, wehmütig-jammernden Klange versank die Glocke in eine grausige Tiefe, in die niemand mehr hinabsteigen konnte.
Wenn aber die Magelser in der Mitternachtsstunde der Johannisnacht an der Glockenkuhle vorbeikommen, glauben sie noch immer, aus der Tiefe den Ruf zu hören:
„Worüm hebbt de dree Olen
Dat Mul nich holen?
Nu ligg ick so siet
Up ewige Tied!“